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Allgemeinverfügung zur Ernennung von hinzugezogenen Tierärzt*innen zu amtlichen Tierärzt*innen für die Schlachtuntersuchung bei Notschlachtungen

Aufgrund von Art. 13 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/624 der Kommission vom 08. Februar 2019, Art. 18 i.V.m. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017, § 2a der Tierischen-Lebensmittel-Überwachungsverordnung (Tier-LMÜV) vom 3. September 2018 (BGBl. I S. 1358) und § 1 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229) in der jeweiligen gültigen Fassung ergeht folgende 

Allgemeinverfügung
  1. Alle Personen, die nach § 2 der Bundes-Tierärzteordnung zur Ausübung des tierärztlichen Berufs befugt sind, werden für den Fall, dass sie im Landkreis Marburg-Biedenkopf von einer für ein Tier verantwortlichen Person im Rahmen einer Notschlachtung außerhalb des Schlachtbetriebs für eine Schlachttieruntersuchung gemäß Artikel 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/624 hinzugezogen werden, im Hinblick auf die Schlachttieruntersuchung dieses Tieres und die Ausstellung der Gesundheitsbescheinigung nach Anhang IV Kapitel 5 Durchführungsverordnung (EU) 2020/2235 zu amtlichen Tierärztinnen und Tierärzten im Sinne des Artikel 3 Nr. 32 und zu Bescheinigungsbefugten im Sinne des Artikel 3 Nr. 26 der Verordnung (EU) 2017/625 ernannt.
  2. Die Ernennung nach Nr. 1 erlischt mit Erledigung des jeweiligen Falls.
  3. Die Tätigkeit der Schlachttieruntersuchung bei Notschlachtungen und die damit verbundene Ausstellung von Gesundheitsbescheinigungen soll als privatrechtliche Dienstleistung eines Tierarztes gegenüber dem Auftraggeber (Tierhalter) angesehen werden. Eine Übertragung behördlicher Aufgaben in Form der Belehrung oder der Beauftragung als Verwaltungshelfer ist nicht erforderlich.
  4. Die Vergütung für die Dienstleistung (Schlachttieruntersuchung in Verbindung mit Ausstellung der Gesundheitsbescheinigung) soll im Rahmen des Privatrechts gemäß Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) direkt zwischen Tierhalter und Tierarzt wie bisher abgerechnet werden.
  5. Die sofortige Vollziehung der Ernennung unter Nr. 1 wird gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet.
  6. Diese Allgemeinverfügung gilt am Tag nach ihrer Veröffentlichung als bekannt gegeben.
Begründung
  1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Vollzug von Aufgaben auf den Gebieten des Veterinärwesens und der Lebensmittelüberwachung vom 21. März 2005 (GVBl. I S. 229) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz in der jeweiligen gültigen Fassung ist die untere Verwaltungsbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf zuständige Behörde für den Erlass dieser Allgemeinverfügung.
  2. Aufgrund EU-Rechts muss auch die Schlachttieruntersuchung bei Notschlachtungen durch einen amtlichen Tierarzt durchgeführt werden. Nach § 2a Tier-LMÜV besteht die Möglichkeit, Tierärztinnen und Tierärzte für bestimmte Tätigkeiten zu amtlichen Tierärzten zu ernennen. Diese Möglichkeit ermöglicht eine praktikable Handhabung der Schlachttieruntersuchung bei Notschlachtungen. Die bisher bestehende Möglichkeit im Sinne des Tierschutzes, eine sehr zeitnahe Schlachttieruntersuchung bei frisch verunfallten Tieren durchzuführen, soll damit weiter erhalten bleiben.
  3. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/624 müssen amtliche Tierärzte, die die in Artikel 18 der Verordnung (EU) 2017/625 genannten Aufgaben wahrnehmen, die in Anhang II Kapitel I der letztgenannten Verordnung aufgeführten spezifischen Mindestanforderungen erfüllen. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EU) 2019/624 erlaubt den Mitgliedstaaten, bei den in der Vorschrift genannten Tätigkeiten von diesen Anforderungen Ausnahmen zu machen. Von dieser Ausnahmemöglichkeit hat Deutschland mit der Regelung des § 2a Tier-LMÜV Gebrauch gemacht und den zuständigen Behörden die Möglichkeit eröffnet, Personen, die nach § 2 der Bundes-Tierärzteordnung zur Ausübung des tierärztlichen Berufs befugt sind, für die in der Vorschrift genannten Tätigkeiten zu amtlichen Tierärzten zu ernennen. Davon erfasst ist unter anderem die Durchführung der Schlachttieruntersuchung außerhalb eines Schlachtbetriebes im Falle der Notschlachtung. Aufgrund dieser Vorschrift erfolgt die vorliegende Ernennung.
    Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EU) 2017/625 stellt Anforderungen an die Ernennung von amtlichen Tierärzten. Die Ernennung hat in schriftlicher Form unter Angabe der amtlichen Kontrollen und anderen amtlichen Tätigkeiten sowie der damit zusammenhängenden Aufgaben, auf die sich die Ernennung bezieht, zu erfolgen. Die Ernennung unter Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung berücksichtigt und erfüllt diese Voraussetzungen.
    Ziel der Regelung ist die Wahrung des Tierschutzes. Die Voraussetzung für eine Notschlachtung ist gemäß Anhang III Abschnitt I Kapitel VI Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004, dass ein ansonsten gesundes Tier einen Unfall erlitten hat, der seine Beförderung zum Schlachtbetrieb aus Gründen des Tierschutzes verhindert. Nachdem die Notschlachtung nur bei frisch verunfallten Tieren möglich ist und den Tieren langes Leiden erspart werden muss, ist in derartigen Situationen ein schnelles Handeln erforderlich. Dies kann insbesondere dadurch gewährleistet werden, dass die rechtlich erforderliche Schlachttieruntersuchung für die Notschlachtung durch Tierärzte durchgeführt wird, die innerhalb kurzer Zeit vor Ort sein können. Eine andere Möglichkeit, dem Tierschutz in gleichem Maße Rechnung tragen zu können, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist eine Durchführung der Schlachttieruntersuchung durch ausschließlich im Amt angestellte amtliche Tierärzte / Tierärztinnen oder Amtstierärzte / Amtstierärztinnen im Hinblick auf das Erfordernis der schnellen Handlungsfähigkeit nicht gleich geeignet. Durch die Regelung wird neben dem Interesse des Tierschutzes auch dem Interesse der Tierhalter unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Rechnung getragen, da ohne die Notschlachtung das Tier nicht mehr in die Lebensmittelkette eingebracht werden könnte.
  4. Ziel ist es, die Tätigkeit der Tierärzte, die nur jeweils für den Einzelfall bei Notschlachtungen nach Nummer 1 und 2 dieser Allgemeinverfügung als amtliche Tierärzte fungieren, nicht zu erschweren oder von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen.
    Weder die Regelungen nach Verordnung (EU) 2017/625 und die darauf fußenden Durchführungsbestimmungen noch das nationale (Verwaltungs-)Recht machen ein Beschäftigungsverhältnis des hierfür speziell ernannten amtlichen Tierarztes bei einer zuständigen Behörde erforderlich.
    Die Tätigkeit der Schlachttieruntersuchung bei Notschlachtungen und die damit verbundene Ausstellung von Gesundheitsbescheinigungen kann somit als eine privatrechtliche Dienstleistung eines Tierarztes gegenüber dem Auftraggeber (Tierhalter) angesehen werden. Eine Übertragung behördlicher Aufgaben in Form der Beleihung oder der Beauftragung als Verwaltungshelfer ist nicht erforderlich.
    Die Vergütung für die Dienstleistung (Schlachttieruntersuchung in Verbindung mit der Ausstellung der Gesundheitsbescheinigung) kann somit auch im Rahmen des Privatrechts (z. B. nach GOT) direkt zwischen Tierhalter und Tierarzt wie bisher abgerechnet werden.
  5. Die sofortige Vollziehung der Ernennung unter Nr. 1. dieser Allgemeinverfügung wird gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, da die Ernennung unter Nummer 1. aus Gründen des Tierschutzes sofort und ohne zeitliche Verzögerung greifen muss. Nachdem die Notschlachtung nur bei frisch verunfallten Tieren möglich ist und den Tieren langes Leiden erspart werden muss, ist in derartigen Situationen schnelles Handeln erforderlich. Es kann daher nicht abgewartet werden, bis die Rechtmäßigkeit der amtlichen Verfügung zur Ernennung der amtlichen Tierärzte und Tierärztinnen gerichtlich festgestellt wird. Insofern überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ein entgegenstehendes privates Interesse an der aufschiebenden Wirkung einer eventuellen Klage.
  6. Die öffentliche Bekanntmachung der Allgemeinverfügung ist nach § 41 Abs. 3 Satz 2 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) zulässig. Da sich die Allgemeinverfügung an einen von der Anzahl nicht voraus bestimmbaren Adressatenkreis richtet, wäre eine individuelle Bekanntgabe "untunlich".
  7. Nach Art. 41 Abs. 4 Satz 3 HVwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei öffentlicher Bekanntmachung zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann nach Art. 41 Abs. 4 Satz 4 HVwVfG ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden. Von dieser Vorschrift wird Gebrauch gemacht, so dass diese Allgemeinverfügung am Tag nach ihrer Veröffentlichung als bekannt gegeben gilt.
Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei der Landrätin des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Im Lichtenholz 60, 35043 Marburg, erhoben werden. 

Marburg, den 26.11.2021 

Die Landrätin des Landkreises Marburg-Biedenkopf
In Vertretung

gez.:
Marian Zachow
Erster Kreisbeigeordneter

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