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Allgemeinverfügung zur Verlängerung der Sperrzeit für das Gaststättengewerbe sowie für öffentliche Vergnügungsstätten

Aufgrund von § 3 der Hessischen Verordnung über die Sperrzeit (SperrV) vom 10. Dezember 2012 (GVBl. S. 669), geändert durch Verordnung vom 4. Dezember 2017 (GVBl. S. 396) wird die Sperrzeit wie folgt festgesetzt:

  1. Abweichend von § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Sperrzeit wird der Beginn Sperrzeit für das Gaststättengewerbe sowie für öffentliche Vergnügungsstätten im Gebiet des Landkreises Marburg-Biedenkopf auf 23:00 Uhr festgesetzt.
  2. Diese Allgemeinverfügung gilt zunächst bis einschließlich 2. November 2020. Eine Verlängerung bleibt vorbehalten.
  3. Die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 dieser Verfügung wird angeordnet.

Begründung:

Nach § 3 der SperrV kann die zuständige Verwaltungsbehörde bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse die Sperrzeit allgemein verlängern. Ein solches öffentliches Bedürfnis liegt aufgrund der aktuellen Infektionslage in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 im Landkreis Marburg-Biedenkopf vor.
Die Infektionslage im Landkreis Marburg-Biedenkopf hat sich aktuell extrem nachteilig entwickelt. Die von dem Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf ermittelte Zahl der Infektionen ist mit Stand 15.10.2020 (23:59 Uhr) auf 746 angestiegen und die sog. 7-Tages-Inzidenz im Land-kreis beträgt 59,2. Damit wird der Landkreis Marburg-Biedenkopf der Stufe 4 (rot) - also der vorletzten Stufe - des Präventions- und Eskalationskonzepts zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 in Hessen zugeordnet. Dies hat zur Folge, dass aufgrund des vorgenannten Eskalationskonzepts und den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern anlässlich der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungscheffinnen und Regierungschefs der Länder am 14.10.2020 (im Folgenden: Bund-Länder-Konferenz) verschärfende lokale Beschränkungsmaßnahmen einzuleiten sind. Hierzu gehört ausweislich der Niederschrift über die Bund-Länder-Konferenz bei einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner u. a. die verbindliche Einführung einer Sperrstunde um 23:00 Uhr für Gastronomiebetriebe einschließlich eines generellen Ausgabeverbotes für Alkohol (vgl. S. 4 der Niederschrift).

Da hinsichtlich der Neuinfektionen im Kreisgebiet keine schwerpunktmäßige Betroffenheit einzelner Einrichtungen bzw. einzelner Betriebe oder einzelner abgrenzbarer Lebensbereiche erkennbar ist, sind behördlicherseits Zusammenkünfte von vielen Menschen deutlich zu beschränken. Hierzu hat der Kreisausschuss des Landkreises Marburg-Biedenkopf durch Allgemeinverfügung vom 16. Oktober 2020 auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes diverse Anordnungen getroffen, die durch die vorliegende Sperrzeitverlängerung ergänzt werden.

Durch eine Einschränkung der Betriebszeiten von gastronomischen Betrieben und Vergnügungsstätten ist zu erwarten, dass sich die Zahl der Kontakte zwischen Personen sowie das Risiko einer alkoholbedingten Beeinträchtigung der Disziplin hinsichtlich der Einhaltung der Hygiene- und Abstandsmaßnahmen und somit der Gefahr einer Ansteckung vermindern.

Die mit der Allgemeinverfügung des Kreisausschusses vom 16.10.2020 getroffenen Anordnungen sowie die vorliegend angeordnete Sperrzeitverlängerung dienen dem Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen, dem Schutz der Allgemeinheit vor Gesundheitsgefahren und der dauerhaften Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems. Zielsetzung ist es, den derzeitigen signifikanten Anstieg der Infektionszahlen zu stoppen und zu stabilisieren, um Behandlungskapazitäten in medizinischen Einrichtungen sicherzustellen und medizinische Versorgungsstrukturen aufrechtzuerhalten. Die gilt insbesondere deshalb, weil - jedenfalls kurzfristig - nicht absehbar ist, wann Impfstoffe und/oder Medikamente zur Verfügung stehen werden. Die Verlängerung der Sperrzeit stellt daher ergänzend zu den Anordnungen des Kreisausschusses ein wirksames Instrument zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsinfrastruktur dar. Die Verlängerung der Sperrzeit ist im Vergleich zur vollständigen Schließung der gastronomischen Betriebe und Vergnügungsstätten auch das mildere Mittel und greift deutlich geringer in die gewerbliche Betätigungsfreiheit ein. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird ferner dadurch Rechnung getragen, dass die Sperrzeitverlängerung (zunächst) bis zum 2. November erfolgt und nach Ablauf ggf. eine Neubewertung der Lage zu erfolgen hat. Die Sperrzeitverlängerung erfolgt daher in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens.

Die Zuständigkeit der Landrätin des Landkreises Marburg-Biedenkopf als Kreisordnungsbehörde zum Erlass dieser Anordnung ergibt sich aus § 5 Abs. 2 Nr. 2 SperrV, § 85 Abs. 1 Nr. 3 HSOG, da aufgrund der dargestellten aktuellen Sachlage (keine schwerpunktmäßige Betroffenheit einzelner Einrichtungen bzw. einzelner Betriebe oder einzelner abgrenzbarer Lebensbereiche) eine städte- und gemeindeübergreifende Regelung für das Gebiet des Landkreises geboten ist.

Von einer Anhörung wird gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz abgesehen, da eine Allgemeinverfügung erlassen wird und von dieser Verfügung eine Vielzahl von gastronomischen Betrieben und Vergnügungsstätten im Landkreis Marburg-Biedenkopf betroffen sind.

Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung

Die Verlängerung der Sperrzeit hat den Zweck, die weitere Ausbreitung des Corona-Virus einzuschränken, weshalb mit ihrem Vollzug nicht bis zum Abschluss eines eventuellen Widerspruchs- und Klageverfahrens - ggf. in mehreren Instanzen - abgewartet werden kann. Der Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen vor Ansteckung durch das Corona-Virus, der Schutz der Allgemeinheit vor Gesundheitsgefahren und die dauerhafte Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sind deutlich höher zu bewerten als das private Interesse an dem Besuch von gastronomischen Einrichtungen und Vergnügungsstätten nach 23:00 Uhr sowie den gewerblichen Interessen der Betreiber. Die Öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung dieser Verfü-gung überwiegen daher die privaten Aufschubinteressen der Besucher und Betreiber der Einrichtungen. Die Vollziehung der Anordnung unter Ziffer 1 ist daher eilbedürftig.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bei der Landrätin des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Im Lichtenholz 60, 35043 Marburg, erhoben werden.

gez.

Marian Zachow
Erster Kreisbeigeordneter
Vertreter der verhinderten Landrätin

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