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Pressemitteilung 383/2017

13.11.2017

Spurensicherung bei Vergewaltigungen auch ohne Polizei: Plakataktion der Kreisverwaltung und des Frauennotrufs Marburg e. V. ermutigt mit kreisweiter Plakataktion zur Inanspruchnahme medizinischer Versorgung im Fall des Missbrauchs – Hintergrund ist ein neues Angebot in den Kliniken

Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, können sich im Universitätsklinikum Marburg und im Diakonie-Krankenhaus Wehrda nicht nur medizinisch versorgen lassen, sondern ab sofort auch mögliche Spuren gleich „gerichtsfest“ sichern und dokumentieren lassen – ohne, wie bislang, zuvor eine Strafanzeige erstatten zu müssen. Darüber informierten am Montag (v.l.) Birgit Wollenberg vom Fachbereich Gesundheitsamt, Claudia Schäfer vom Frauenbüro des Landkreises, Bella-Jean Gnodtke und Rebekka Jost vom Marburger Frauennotruf, Thomas Knörzer vom Diakonie-Krankenhaus Wehrda, Landrätin Kirsten Fründt, der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow und Johanna Woscidlo, Oberärztin am Diakonie-Krankenhaus.

Marburg-Biedenkopf – Mit einer Plakataktion in 120 Bussen im Landkreis Marburg-Biedenkopf in der Zeit vom 20. November bis zum 1. Dezember 2017 macht der Landkreis Marburg-Biedenkopf in Zusammenarbeit mit dem Frauennotruf Marburg e.V. auf die Möglichkeit der unkomplizierten und kostenlosen medizinischen Versorgung nach einer Vergewaltigung aufmerksam. Hintergrund ist eine Neuerung im Umgang mit den Betroffenen.

Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, können sich im Universitätsklinikum Marburg und im Diakonie-Krankenhaus Wehrda nicht nur medizinisch versorgen lassen, sondern ab sofort auch mögliche Spuren gleich  „gerichtsfest“ sichern und dokumentieren lassen – ohne, wie bislang, zuvor eine Strafanzeige erstatten zu müssen.

Möglich ist dies durch hierzu qualifizierende Fortbildungen beim Klinikpersonal und der Kooperation mit dem Gerichtsmedizinischen Institut in Gießen im Zuge des Projekts „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“, das vom Landkreis Marburg-Biedenkopf mit 10.000 Euro unterstützt wird.

Auf den Plakaten, die vom 20. November bis zum 1. Dezember 2017 in 120 Bussen im Landkreis gezeigt werden, heißt es: „Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. Im Krankenhaus erhalten Sie Hilfe. Vertraulich.“ Mit der Aktion sollen Betroffene von sexualisierter Gewalt, insbesondere angesichts der neuen Möglichkeiten bei den teilnehmenden Kliniken, dazu ermutigt werden, sich nach einer Gewalttat so schnell wie möglich medizinisch versorgen zu lassen. Das sei nicht immer der Fall.

In einigen Fällen hätten sich Frauen nach einer Vergewaltigung aus Scham oder wegen Schuldgefühlen aber eben auch aus Sorge, im Falle einer medizinischen Versorgung mit einer Aussagesituation bei den Ermittlungsbehörden rechnen zu müssen, nicht medizinisch versorgen lassen, berichtet Rebekka Jost vom Marburger Frauennotruf. „Das ist eine für viele Betroffene schwierige Situation, insbesondere dann, wenn der Täter aus dem Familien- oder Bekanntenkreis stammt“, sagte Jost.

Diese Sorge sei mit dem Start des Projektes unbegründet. Die Ermittlungsbehörden würden nur dann hinzugezogen, wenn dies dem Wunsch der Patientin entspräche. Alternativ könne nun neben der medizinischen Versorgung auch selbst die Sicherung möglicher Beweismittel vorgenommen werden. „Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, mit dem Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“, dieses sehr wichtige Angebot für Frauen in Not auch in unserem Landkreis schaffen zu können. Es kann nicht sein, dass Frauen, die dem Schlimmsten ausgesetzt waren, sich vor einer medizinischen Behandlung fürchten müssen. Das ist nun vorbei.“, sagte Landrätin Kirsten Fründt.

„Wir wissen, dass es für die betroffenen Frauen eine wahnsinnige Überwindung ist. Sie sollen wissen, dass wir für solche Situationen sensibilisiert sind und die Polizei nur dann hinzuziehen, wenn dies ausdrücklich gewünscht ist“, bekräftigt der Chefarzt der Gynäkologie des Diakonie-Krankenhauses Wehrda, Thomas Knörzer, den Wunsch, die Angst vor der medizinischen Versorgung abzubauen.

Die Vorbereitungen zum Projekt begannen bereits im Frühjahr dieses Jahres. Dazu zählten vor allem Schulungen der untersuchenden Ärztinnen und Ärzte der beiden teilnehmenden gynäkologischen Stationen im Landkreis zum Verfahren und im Umgang mit der Ausstattung zur Beweissicherung. Einem Verfahren, dass dem Standard der Ermittlungsbehörden entspreche.

Damit ist es den versorgenden Ärztinnen und Ärzten möglich, Spuren ohne Einschalten der Polizei gerichtsfest zu sichern und zu dokumentieren. Die möglichen Beweismittel werden dann an das Rechtsmedizinische Institut in Gießen weitergeleitet, wo sie für ein Jahr verwahrt werden. Dadurch erhalten die Frauen die Möglichkeit, sich in Ruhe beraten zu lassen.

 „Es war uns wichtig diese Möglichkeit auch bei uns schaffen zu können. Das ist uns mit dem Frauenbüro des Landkreises, dem Frauennotruf, dem Universitätsklinikum und dem Diakonie-Krankenhaus nun auch gelungen“, freut sich die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, Dr. Birgit Wollenberg über den gemeinsamen Projektauftakt.

Weitere Informationen bietet die Leiterin des Projekts beim Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Andrea Schroer, unter der Rufnummer 06421 405-4116 oder per E-Mail an SchroerAmarburg-biedenkopfde sowie die Website www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de (Öffnet in einem neuen Tab). Der Frauennotruf Marburg e.V. ist unter der Telefonnummer 06421 21438 erreichbar und bietet unter www.frauennotruf-marburg.de (Öffnet in einem neuen Tab) weitere Informationen.

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