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Pressemitteilung 189/2023

23.06.2023

Landsynagoge ist seit 25 Jahren Ort der Begegnung und des Erinnerns – Jubiläumsveranstaltung beleuchtete jüdische Geschichte im Kreis/Kreis hat jüdisches Gotteshaus in Roth vor 25 Jahren saniert

Sie feierten das 25-jährige Jubiläum der Sanierung und Eröffnung der Landsynagoge Roth: Bürgermeister der Gemeinde Weimar Markus Herrmann, Dr. Judith Roth, die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn-Rancke, Hazel Pollak, Dr. Annegret Wenz-Haubfleisch, Landrat Jens Womelsdorf, Robyn Solovei und Kreistagsvorsitzender Detlef Ruffert (v.l.).

Marburg-Biedenkopf – Die Sanierung und Eröffnung der Landsynagoge in Weimar-Roth ist 25 Jahre her. Das nahm der Landkreis Marburg Biedenkopf zum Anlass, mit einer Jubiläumsveranstaltung der Geschichte des Gebäudes und der jüdischen Bürgerinnen und Bürger von Roth, Weimar und Lohra zu gedenken. Dabei nahmen auch einige Nachfahren der einheimischen verfolgten, vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden teil.

„Die Landsynagoge Roth ist eine Erinnerung an die Verbrechen der Nazis. Sie ist aber auch ein Ort der Erinnerung an die Menschen, die Opfer des Nazi-Terrors wurden, ein Ort der Bildung und für den Wunsch nach Versöhnung“, sagte Landrat Jens Womelsdorf. „Hier kann man begreifen, welche Folgen Rassismus, Antisemitismus und die Ausgrenzung Andersdenkender haben.“ Die sichtbaren Narben wie die Axthiebe in den Säulen, die die Empore tragen, mahnten, dass solche Verbrechen sich nicht wiederholen dürften.

Vor 190 Jahren wurde die Landsynagoge errichtet, vor 85 Jahren zerstört und vor 25 Jahren restauriert. Eine „Dokumentation des Augenblicks“ sei die Sanierung gewesen, sagte Dr. Annegret Wenz-Haubfleisch, Vorsitzende des Arbeitskreises Landsynagoge Roth, auf dessen Initiative hin die Sanierung erfolgt war. Das einzigartige Denkmal konnte mit Unterstützung des Kreises erhalten werden. Dieser ist auch seit 1995 Eigentümer des Gebäudes.

„Man kann aus der Geschichte nur lernen, wenn man versteht, dass sie vor der eigenen Haustür stattgefunden hat“, sagte Angela Dorn-Rancke, Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst. Der Arbeitskreis leiste daher eine unglaublich wichtige Arbeit: „Was er hier für die Nachwelt bewahrt hat, ist wundervoll – er leistet eine Arbeit, die eine Stütze der Demokratie ist.“ Die Ministerin dankte den Nachfahrinnen der Überlebenden für ihre Bereitschaft zur Freundschaft.

Wie tief das Leid ist, das den jüdischen Familien angetan wurde, war aus den Worten der drei Nachfahrinnen herauszuhören. Zu Gast waren Dr. Judith Roth, Tochter von Walter Roth, der 1938 als Kind in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert war und Robyn Solovei aus dem kalifornischen Long Beach, Tochter von Marion Höchster und Enkelin des nach Südafrika ausgewanderten Erwin Höchster. Auch Hazel Pollak, Tochter von Max Walldorf aus Ebsdorf, der mit seinem Schwager Erwin Höchster zusammen nach Südafrika emigriert war, kam der Einladung nach. „Hätten unsere Großeltern sich diese Feier an diesem Ort vorstellen können?“, fragte Roth. Sie fühle die Gegenwart ihrer Vorfahren an diesem Ort ebenso wie die ihrer Kinder und der folgenden Generationen. Sie sei dankbar für die Verbindungen, die zwischen den Familien und den Menschen, die heute in Roth leben, entstanden sind. Sie überreichte Dr. Annegret Wenz-Haubfleisch als Zeichen der Verbundenheit einen Chanukka-Leuchter. „Wir müssen uns erinnern, sonst vergessen wir“, sagte Robyn Solovei. Es bedeute ihr viel, zu sehen, wie ihre Familie geehrt und ein Ort für die Erinnerung an sie geschaffen worden sei, sagte sie. Auch schuf Solovei einen besonderen Moment, als sie das Lieblingsgebet ihrer Mutter zu Gitarrenklängen vortrug.

Bewegend waren auch die Auszüge aus Briefen, die Hazel Pollak vorlas. Herrmann Höchster schrieb an seinen bereits emigrierten Sohn Erwin – die sich stetig verschlechternde Situation für die jüdischen Familien in Roth waren zu erspüren, und die Hoffnung, dem Sohn nachfolgen zu können. Dazu sollte es nicht kommen. Hermann Höchster wurde im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Die Korrespondenz der Familie Höchster übergeben die Nachfahren nun dem Hessischen Staatsarchiv Marburg.

Während bei der Sanierung die Spuren der Zerstörung bewusst sichtbar gelassen wurden, erstand die Landsynagoge im Rahmen der Feier virtuell wieder auf, so wie sie vor der Zerstörung ausgesehen hatte. So konnten Besucherinnen und Besucher mithilfe einer VR-Brille den Innenraum des Gebäudes vor der Zerstörung sehen. Diese Computer-Simulation wurde am Fachgebiet Digitales Gestalten der Technischen Universität Darmstadt erarbeitet und vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziell unterstützt. Dr. Marc Gellert, Leiter des Forschungsbereichs Virtuelle Rekonstruktion, zu dem das Fachgebiet gehört, gab auch einen Einblick, wie eine solche Simulation technisch erstellt wird.

Einen feierlichen und berührenden Rahmen gaben der Feier auch das Gedenken durch Thorsten Schmermund von der Jüdischen Gemeinde Marburg und die musikalischen Darbietungen von Ina Himmelmann und Stephan Gröger. Im Anschluss an die Jubiläumsfeier konnten Gäste vor der Landsynagoge bei Speisen und Getränken zusammenkommen, die VR-Brille ausprobieren und eine Dokumentation zur Mikwe, einem rituellen Tauchbad, besichtigen. Zudem gab es eine Darbietung der Tanzgruppe der jüdischen Gemeinde Marburg.

Landrat Jens Womelsdorf nutzte die Gelegenheit, mittels VR-Brille den ursprünglichen Zustand der Synagoge zu erleben.
Zahlreiche Menschen nahmen an der Jubiläumsveranstaltung in der Landsynagoge in Weimar-Roth teil.

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