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Pressemitteilung 276/2018

31.07.2018

Japanische Märchenforscher schlagen wieder kulturelle Brücke – Das national wertvolle Kulturgut stößt auch international auf Interesse

Der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow (hinten, re.) und Kulturreferent Dr. Markus Morr (hinten, 2. v. re.) begrüßten die japanischen Märchenforscher um Professor Toshio Ozawa (hinten, 3. v. re.).

Marburg-Biedenkopf – Bereits zum 25. Mal seit 1994 ist eine Gruppe von japanischen Märchenforschern unter der Leitung von Prof. Dr. Toshio Ozawa am Montag, 30. Juli 2018, in den Landkreis gekommen, um sich mit Otto Ubbelohdes Märchenzeichnungen zu beschäftigen.

1992 hatte Professor Ozawa in Japan eine Märchen-Akademie gegründet, die mittlerweile mehrere Tausend Mitglieder in Japan zählt. Einmal im Jahr kommt er mit einer Gruppe nach Deutschland und folgt der Märchenstraße. Einer seiner Anlaufpunkte ist dann immer das Landratsamt in Marburg. Außerdem besucht die Gruppe den Rapunzelturm in Wetter-Amönau, der Ubbelohde als Motiv für das in Japan beliebte Rapunzel-Märchen diente, das Ubbelohde-Haus in Goßfelden und die Elisabeth-Kirche in Marburg.

„Die Märchen der Brüder Grimm und die Zeichnungen von Otto Ubbelohde sind eine kulturelle Brücke zwischen Deutschland und Japan“, stellte der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow fest, der die 63-köpfige Gruppe im Landratsamt begrüßte. Der große Bekanntheitsgrad, den die Märchen der Brüder Grimm in Japan innehaben, überrasche ihn immer wieder. Er dankte den Märchenforschern um Professor Ozawa dafür, dass sie dieses wichtige heimische Kulturgut weit über den Grenzen Deutschlands hinaus bekannt machen und pflegen.

„Ich finde es spannend, dass die Zeichnungen Ubbelohdes in Japan bekannt sind und damit auch Motive aus unserem Landkreis in Japan bekannt gemacht werden. Ubbelohde prägt bis heute mit seinen Illustrationen unsere Vorstellung von den Märchen unserer Kindheit. Wer dann den Landkreis besucht, wird hin und wieder das Gefühl haben, dieses oder jenes Gebäude durch die Märchenmotive bereits zu kennen“, sagte Zachow. „In einer Zeit, in der immer nur abgehackt in Twitter-Meldungen und Kurznachrichten kommuniziert wird, ist es höchste Zeit, dem Erzählen wieder mehr Raum zu geben. Das Erzählen lässt nicht nur Phantasiewelten lebendig werden, sondern führt Menschen zusammen“, betont Zachow.

„In Japan ist es nicht vorstellbar, dass in einem öffentlichen Gebäude Märchenzeichnungen zu sehen sind“, sagte Dr. Markus Morr, Kulturreferent des Kreises. „Die Tatsache, dass der Landkreis auf verschiedenen Etagen der Kreisverwaltung gut gemachte Kopien der Originale dauerhaft ausstellt, ist für Japaner überraschend, weil die Märchen in Japan eher für das Volkstümliche und die Verwaltungen für den Staat stehen“, erläuterte Dr. Morr.

Interessiert betrachteten die Besucher aus Japan die knapp 450 Zeichnungen, die im Landratsamt zu sehen sind und lauschten gebannt den Erläuterungen von Professor Ozawa. Die Originalzeichnungen aus dem Nachlass Otto Ubbelohdes befinden sich im Eigentum des Landkreises, ausgestellt sind jedoch Kopien.

Den Märchenforscher Ozawa begeistert vor allem die detailgenaue Darstellung von Landschaften, Gebäuden oder Personen, die Ubbelohde in seinen Zeichnungen gewählt hat. „Für mich sind es diese Zeichnungen, die die Märchen lebendig machen“, sagte Professor Ozawa.

Seit 1972 werden die Ubbelohde-Illustrationen im Kreishaus in Marburg-Cappel ausgestellt. Die Originale wurden im Erdgeschoss, im ersten, zweiten und früher auch im dritten Obergeschoss ausgestellt. Erst im November 1987 wurden sie durch gute Kopien ersetzt und die Originale wanderten zuerst in einen Safe, kamen aber nach der Restaurierung als Dauerleihgabe in das Otto-Ubbelohde-Haus in Goßfelden. Heute kann man die Kopien nach wie vor im Kreishaus in Marburg während der Öffnungszeiten der Verwaltung besichtigen.

Das Land Hessen hat die Sammlung der Zeichnungen des Künstlers Otto Ubbelohde (1867 bis 1922) zu den Märchen der Brüder Grimm vor wenigen Wochen auch als national wertvolles Kulturgut anerkannt und reiht sich damit ein in die Reihe besonderer Objekte und Kunstgegenstände wie die Himmelsscheibe von Nebra, der römische Pferdekopf von Waldgirmes oder die Gutenbergbibeln.

 

Hintergrundinfos zu Toshio Ozawa

Der 1930 geborene Toshio Ozawa hat Germanistik studiert und promovierte 1956 über die Märchen der Brüder Grimm. Später wurde er Professor für Germanistik, vergleichende Literaturwissenschaften sowie Kinder- und Jugendliteratur. Von 1971 bis 1973 übernahm er eine Gastprofessur am Institut für Europäische Ethnologie der Marburger Philipps-Universität. Dabei lernte er auch die Schönheiten dieser Region und auch die Ubbelohde-Illustrationen im Marburger Landratsamt kennen, die seitdem immer wieder Anlaufpunkt seiner Besuche sind.

Professor Ozawa hat unzählige Veröffentlichungen zu Märchen in Deutschland und in Japan herausgegeben und sich durch seine intensive Feldforschung große Verdienste für internationale Märchenforschung erworben. Als Herausgeber einer Zeitschrift stellt er immer wieder Märchen der Brüder Grimm und natürlich Zeichnungen von Otto Ubbelohde in den Mittelpunkt des Interesses.

In Würdigung und Anerkennung seines jahrelangen Engagements für die Völkerverständigung und den kulturellen Austausch zwischen Japan und Deutschland ist Professor Dr. Toshio Ozawa auf Betreiben des Landkreises Marburg-Biedenkopf im Jahr 2011 der Ehrenbrief des Landes Hessen verliehen worden.

Interessiert betrachten die Besucher aus Japan die knapp 450 Zeichnungen, die im Landratsamt zu sehen sind, und lauschen den Erläuterungen von Professor Ozawa.
63 japanische Märchenforscher entdeckten im Landratsamt die Illustrationen von Otto Ubbelohde. Vor wenigen Wochen hat das Land Hessen die Zeichnungen zu den Märchen der Brüder Grimm als national wertvolles Kulturgut anerkannt.

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