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Pressemitteilung 209/2018

05.06.2018

Schwierigkeiten beim Dualen System erreichen Landkreis Marburg-Biedenkopf – Insolvenz eines Dienstleisters und chinesisches Einfuhrverbot können Probleme für die Müllentsorgung vor Ort bereiten

Marburg-Biedenkopf – Für die Sammlung und Entsorgung von Verpackungsmüll sind in der Bundesrepublik private Unternehmen, die sogenannten dualen Systeme, verantwortlich. Das chinesische Einfuhrverbot für Kunststoffabfälle und die Insolvenz eines der Unternehmen wirken sich auch auf den Landkreis Marburg-Biedenkopf aus. Landrätin Kirsten Fründt rät zur Vermeidung von Kunststoffmüll.

Die Volksrepublik China untersagt bereits seit einigen Monaten die Einfuhr von verschiedenen Abfällen, darunter auch Kunststoffabfälle aus Deutschland. „China war einer der größten Abnehmer von deutschem Kunststoffmüll und mittlerweile zeichnet sich ein stockender Abfluss des Materials ab. Wenn nun die Sortieranalagen auf den aussortierten Kunststoffen auf Dauer sitzen bleiben, wird sich dies angesichts beschränkter Lagerkapazitäten auch auf die Einsammlung der Verpackungsabfälle auswirken“, befürchtet der Geschäftsführer der Abfallwirtschaft Lahn-Fulda, Dr. Peter Zulauf.

In der vergangenen Woche hätten die gelben Säcke und gelben Tonnen nach Informationen des zuständigen Entsorgers in Cölbe und Goßfelden schon aufgrund mangelnder Lagerkapazitäten stehen bleiben müssen. Zwar sollen die Säcke und Tonnen kurzfristig am 5. Juni in Cölbe und am 6. Juni in Goßfelden abgeholt beziehungsweise geleert werden, allerdings sei derzeit nach Einschätzung von Zulauf noch völlig unklar, ob sich solche Vorfälle nicht wiederholen.

„Leider können wir als Landkreis und auch die Städte und Gemeinden hier nicht direkt eingreifen, denn Auftraggeber gegenüber den Abfuhrunternehmen sind die dualen Systeme“, erklärt Zulauf. Aktiv werden könne eine Kommune erst, wenn eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung bestehe. Derzeit bleibe laut Zulauf kein anderer Weg, als sich direkt an das jeweilig zuständige Unternehmen zu wenden. Für den Landkreis Marburg-Biedenkopf sei dies die BellandVision GmbH, erreichbar unter der Telefonnummer 09241 48320. „Der derzeitige Zustand ist sicher kein guter. Allerdings machen die aktuellen Umstände wieder einmal klar, dass wir alle Verpackungsmüll, allen voran langlebige Kunststoffe, möglichst vermeiden oder zumindest minimieren sollten“, sagt Landrätin Kirsten Fründt

Insolvenz betrifft auch Landkreiskommunen

Bislang waren zehn privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, die sogenannten dualen Systeme, bundesweit mit der Entsorgung von Verpackungen beauftragt. Mit der Insolvenz der Europäische LizenzierungsSysteme GmbH (ELS) zum 1. Juni 2018 sind es nun noch neun. Zwar sei das Unternehmen nicht für den Landkreis Marburg-Biedenkopf zuständig gewesen, dennoch betreffe neben dem chinesischen Einfuhrverbot auch diese Insolvenz den Landkreis.

„Die Entgelte für die Bereitstellung und Reinigung der Altglascontainerstandorte werden nicht gegenüber dem dualen System insgesamt, sondern mithilfe eines Verteilschlüssels gegenüber jedem einzelnen Unternehmen des Verbunds abgerechnet“, verdeutlicht Dr. Peter Zulauf. So auch gegenüber dem mittlerweile insolventen Unternehmen ELS. Rund 14.500 Euro stehen laut Zulauf derzeit noch für das erste Halbjahr 2018 aus. „Wir haben das Geld bei der ELS angemahnt. Angesichts der Berichte von Gesamtforderungen in Höhe von rund 70 Millionen Euro gegenüber der ELS glaube ich allerdings nicht daran, dass wir das Geld im Zuge des Insolvenzverfahrens noch erhalten. Dementsprechend werden wir das Geld auch nicht an die Städte und Gemeinden auszahlen können“, erläutert Zulauf.

Nicht die erste Krise

„Nach 2014 befindet sich das seit 1991 privatwirtschaftlich organisierte System der Verpackungsentsorgung jetzt zum zweiten Mal in ernsthaften Schwierigkeiten“, stellt Zulauf fest. Hätten vor vier Jahren Hersteller von Verpackungen, die ihre Lizenzentgelte nicht zahlten, die Krise ausgelöst, sei es dieses Mal die Insolvenz eines der verantwortlichen dualen Systeme.

Die momentanen Schwierigkeiten sind offensichtlich auch der Grund, warum die Dualen Systeme bislang noch keine Gespräche mit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zur Umsetzung des neuen Verpackungsgesetzes geführt hätten. Ab 1. Januar 2019 trete die Novelle in Kraft, was zwingend eine erneute Abstimmung zwischen der kommunalen Seite und den dualen Systemen erfordere. „Wir haben alle dualen Systeme bereits im Sommer 2017 angeschrieben. Bis heute liegt uns immer noch keine Rückmeldung vor“, zeigt sich Landrätin Fründt verärgert. „Das ist kein guter Start für die Verhandlungen zu einer neuen Abstimmungsvereinbarung“.

Das neue Verpackungsgesetz soll den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern mehr Mitsprache bei der Ausgestaltung der Verpackungsentsorgung einräumen. Zwar können mögliche Veränderungen beim Sammelsystem im Landkreis Marburg-Biedenkopf aufgrund laufender Verträge frühestens 2021 umgesetzt werden, die Abstimmungsvereinbarung müsse aber vorab zwischen allen Beteiligten verhandelt werden und im Anschluss noch alle parlamentarischen Hürden nehmen.

„Wenn die Dualen Systeme im Frühjahr 2020 die neuen Verträge ausschreiben wollen, müssen auch die neuen Abstimmungsvereinbarungen vorliegen“ erklärt Zulauf. Da alle öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Landkreis der Vereinbarung zustimmen müssen, bleibt nach seiner Einschätzung nicht mehr viel Zeit für die Verhandlungen.

„Wir sind derzeit bereits in Gesprächen mit den Städten und Gemeinden sowie dem MZV Biedenkopf. Unser Ziel ist es, mit den dualen Systemen ein einheitliches System der Verpackungsentsorgung für das gesamte Kreisgebiet zu vereinbaren. Dazu müssen wir uns intern zunächst verständigen, wie die Sammelsysteme für Verpackungen zukünftig aussehen sollen“, so Zulauf, der hofft, dass sich die Dualen Systeme möglichst bald melden, damit die Verhandlungen beginnen können.

Hintergrund

Seit 1991 sind Hersteller und Vertreiber von Verpackungen für deren Einsammlung und Entsorgung verantwortlich. Die Organisation der Verpackungsentsorgung übernehmen seither die Dualen Systeme. Wer Verpackungen produziert, muss bei einem der Dualen Systeme eine Lizenz erwerben und zahlt ein Lizenzentgelt. Die Höhe des Lizenzentgeltes richtet sich nach der Verpackungsart und –menge. Die Dualen Systeme wiederum beauftragen deutschlandweit Entsorgungsunternehmen mit der Einsammlung, Sortierung und Verwertung der Verkaufsverpackungen. Die Finanzierung erfolgt über die Lizenzentgelte.

Derzeit existieren drei Sammelsysteme, mit denen Verkaufsverpackungen erfasst werden. Für Altglas gibt es die Glascontainer, Papier wird über die Papiertonne der Kommunen miterfasst und für Verpackungen aus Kunststoffen, Verbundstoffen und Metallen gibt es die gelben Säcke bzw. die gelben Tonnen und in einigen Kommunen die Dosencontainer.

Städte, Gemeinden und Landkreise spielen bei der Verpackungsentsorgung nur eine Nebenrolle. Die Dualen Systeme müssen das Sammelsystem mit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern abstimmen. Für die Altglasentsorgung stellen die Kommunen den dualen Systemen gegen Entgelt Containerstandplätze zur Verfügung. Zudem werden die Abfuhrtermine der gelben Säcke und gelben Tonnen in den Abfallkalendern mit aufgeführt. Bei der Altpapierentsorgung dürfen die Dualen Systeme die kommunale Altpapiertonne gegen Kostenerstattung für die Verpackungen aus Altpapier mitnutzen.

Einfluss auf das operative Geschäft haben die Kommunen im Regelfall nicht. Dass die Verpackungsentsorgung reibungslos funktioniert, ist alleine Aufgabe der Dualen Systeme und der beauftragten Entsorgungsunternehmen. Nur wenn Kommunen mit einem eigenen Fuhrpark als Auftrag-nehmer für die Dualen Systeme tätig sind oder als Subunternehmer eines privaten Entsorgers zum Einsatz kommen, sind sie im operativen Geschäft beteiligt.

Zum 1. Januar 2019 tritt das neue Verpackungsgesetz in Kraft, mit dem der Einfluss der Kommunen auf das Sammelsystem verbessert werden soll. Die Kommunen sollen zukünftig mitentscheiden, wie die Sammelsysteme für Verpackungen ausgestaltet werden sollen.

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